nasa-wings-logo

Testing Limits – Pushing Frontiers

nasa-logo
Air Force-Stern

 

Lifting Bodies ASSET & PRIME
- Rumpfauftriebs-Flugkörper -

Air Force-Stern

 

Bei den hier beschriebenen Flugkörpern handelt es sich um unbemannte Raumfahrzeuge, die im START (Spacecraft Technology and Advanced Reentry Tests)-Programm der 1960er Jahre von der U.S. Air Force entworfen, gebaut und getestet wurden.

Ende der 50er Jahre stießen amerikanische Aerodynamiker bei Entwicklungsarbeiten von wiedereintrittsfähigen, ballistischen Atomsprengköpfen auf den Effekt, daß stumpf gerundete Körper nicht nur die Hitze beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre überstehen, sondern zudem noch Auftrieb liefern. Diesen Effekt nutzend, konzipierten Aerodynamiker der NASA bemannte tragflächenlose Flugkörper, deren Auftrieb allein aus der ungewöhnlichen Rumpfform resultiert.
Ziel dieser Ingenieure war es, ein bemanntes Fluggerät zu konstruieren, das der Hitze beim Wiedereintritt in die Erdatmosphähre im Hyperschall-Bereich widerstehen konnte, voll manövrierfähig im Über- und Unterschall-Bereich war und wie ein konventionelles Flugzeug eine kontrollierte, horizontale Landung auf einer normalen Landebahn durchführen konnte.

 

Das ASSET (Aerothermodynamic/Elastic Structural Systems Environmental Tests)-Programm war der erste Teil des Programms START (s.o.). Dabei handelte es sich um ein USAF-Forschungsprogramm zur Entwicklung eines wiederverwendbaren, manövrierfähigen Wiedereintrittsfahrzeugs, das aus der Erdumlaufbahn zu einem präzisen Landepunkt auf der Erde geflogen werden kann. Da Tragflächen im Weltraum keinen Auftrieb erzeugen und durch die Kräfte des Wiedereintritts beschädigt würden, entwickelten die Ingenieure flügellose Flugkörper, so genannte Lifting Bodies, die ihren aerodynamischen Auftrieb allein aus ihrer Rumpfform beziehen. Diese Flugkörper würden in einem flachen Gleitwinkel wieder in die Erdatmosphäre eintreten und könnten zur Landung auf einem herkömmlichen Flugplatz manövriert werden. Damit entfielen die massiven maritimen Bergungskräfte, die für die Wiedereintrittskapseln der Mercury-, Gemini- und Apollo-Programme benötigt wurden (die sehr wenig manövrierfähig waren).
Es war wichtiger Bestandteil des bemannten Programms X-20 Dyna-Soar, das später in fortgeschrittenem Stadium wieder eingestellt wurde: Die finale Konfiguration des ASSET-Flugkörpers war im wesentlichen mit den vorderen 1,5m der Bugsektion der Dyna-Soar identisch, das heißt die Form, Konstruktion und die verwendeten Oberflächenmaterialien waren gleich. Während des Fluges übermittelte der Flugkörper per Funk 104 technische Parameter, hinzu kamen die Daten aus der radargestützen Flugbahnbeobachtung. Nach dem Flug wasserten die Flugkörper und sollten für eine Wiederverwendung geborgen werden, was jedoch nur in einem Fall gelang.

Die ASSET-Flugkörper wurden von der McDonnell Aircraft Corp. gebaut. Sechs von ihnen wurden zwischen 1963 und 1965 mit Thor-Trägerraketen (modifizierte ehemalige Interkontinentalraketen ICBM), teils mit Oberstufe, von der Startrampe LC-17B in Cape Canaveral gestartet. Sobald die ASSET-Rakete eine Höhe von ca. 60km und eine maximale Geschwindigkeit von ca. 5000km/h erreicht hatte, trennte sich der Flugkörper von seiner Trägerrakete und begann den Wiedereintritt, während er Daten an Wissenschaftler auf der Erde funkte. Es wurden Messungen von Temperatur, Druck, Wärmeübertragungsraten und andere wissenschaftliche Daten gesammelt. Das Programm lieferte auch Testdaten zu Material- und Strukturkonzepten sowie zu verschiedenen Theorien im Zusammenhang mit der Raumfahrt.
Das im National Museum of the U. S. Air Force ausgestellte ASSET-Fahrzeug war das einzige, das geborgen wurde. Es wurde 1968 in das Museum überführt.
Der Flugkörper besaß eine maximale Startmasse von 540kg, war 1,8m lang mit einer Spannweite von 1,5m.

Bild vom ASSET-Flugkörper
ASSET in der Ausstellung des U.S. Air Force Museum im Jahr 1995

 

 

 

 

Das PRIME (Precision Recovery Including Maneuvering Entry)-Projekt war der zweite Teil des Programms START (s.o.). Es verfolgte das zweifache Ziel, Fortschritte beim Bau von Raumfahrt-Hardware zu testen und die Entwicklung von unbemannten und bemannten flügellosen Rumpfauftriebs-Flugkörpern wie der Martin Marietta X-24 weiter zu erforschen. Vier SV-5D-Fahrzeuge (SV für Space Vehicle) wurden von der Martin Marietta Corp. gebaut, um die Ziele des PRIME-Programms zu erfüllen. Zusätzlich trugen diese Flugkörper teils die Bezeichnung X-23. Außerhalb der Erdatmosphäre wurde die SV-5D durch die Freisetzung von Hochdruck-Stickstoff durch Kaltgastriebwerke manövriert. Beim Wiedereintritt in die Atmosphäre schaltete das interne Trägheits-Steuerungssystem automatisch auf flugzeugähnliche Klappen für die Nick- und Rollsteuerung um. Während des Fluges wurden ca. 240(!) verschieden Parameter per Funk übertragen. Nach dem Flug war eine Wasserung nur für den Notfall vorgesehen, die Bergung sollte noch in der Luft mittels einer Lockheed JC-130B erfolgen, während der Flugkörper noch an seinem Landefallschirm hing, was beim dritten Flug auch gelang. Es war die gleich Methode, mit der die Filmkapseln der CORONA-Fotoaufkärungssatelliten geborgen wurden.

Bei einem typischen Flug wurde die unbemannte SV-5D mit einer Atlas-Trägerrakete von der Vandenberg Air Force Base in Kalifornien gestartet. Am höchsten Punkt ihrer Flugbahn neigte sich die Atlas nach unten, während die Rakete sie weiter auf Geschwindigkeiten beschleunigte, die fast so hoch waren wie die eines Raumfahrzeugs, das wieder in die Erdatmosphäre eintritt. Das Trägheitsleitsystem des Flugkörpers lenkte ihn zu einem vorgewählten Auffangpunkt. Drei PRIME-Testflüge wurden durchgeführt, der erste am 21. Dezember 1966 und der letzte am 19. April 1967. Ein geplanter vierter Flug wurde aufgrund der Erfolge der vorherigen drei Tests abgesagt.
Der Flugkörper besaß eine maximale Startmasse von 405kg, war 2,1m lang mit einer Spannweite von 1,2m.

Im Zuge der Planungen für die Internationale Raumstation ISS gab es bei der NASA kurz vor der Jahrtausendwende Überlegungen für ein "Rettungsboot" für bis zu sieben Crewmitglieder, das sogenannte "Crew Return Vehicle (CRV)", wofür das SV-5d/X-24A-Konzept reaktiviert wurde. Es sollte in der Shuttle-Nutzlastbucht zur ISS transportiert werden und bis zu drei Jahre an die ISS angedockt bleiben. Die Arbeiten an als X-38 bezeichneten Prototypen (80% der Originalgröße) waren bereits weit fortgeschritten, als es aufgrund technischer Probleme und fiskalischer Beschränkungen im Jahr 2002 zum Programmabbruch kam.

Bild vom PRIME-Flugkörper
PRIME in der Ausstellung des U.S. Air Force Museum im Jahr 1995

Quellen:
JENKINS, D. R. (2016/I)
REED, R. D. (1997)
THOMPSON, M., PEEBLES, C. (1999)




Externer Link zum XHTML-Validator (W3C):