Im Jahre 1977 führte die
NASA in ihrem Dryden Flight Research Center (DFRC) auf der Edwards AFB,
Kalifornien, eine Reihe selbst für dortige Verhältnisse sehr
ungewöhnlicher Flugversuche durch. Erstmalig wurde das zu erprobende
Fluggerät huckepack auf den Rücken des Trägerflugzeugs
montiert. Beachtenswert waren auch die Größenverhältnisse
zwischen dem Trägerflugzeug und der "Nutzlast", handelte
es sich doch um eine Boeing 747 Jumbo Jet als Shuttle Carrier Aircraft
(SCA) und dem ersten, flugfähigen Prototypen eines Space Shuttle,
dem Orbiter-Vehicle OV-101 "Enterprise", ungefähr der
Größe einer Boeing 737 entsprechend. Diese inneratmosphärischen
Flugversuche dienten zur letzten Überprüfung des Konzeptes
zur Entwicklung eines wiederverwendbaren Weltraum-Transporter-Systems,
bevor es mit dem Bau der weltraumtauglichen Orbiter fortgesetzt wurde.
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OV-101 "Enterprise" — Entwicklung und Bau
Nachdem am 26. Juli 1972 durch Präsident Nixon der offizielle Startschuß
zu diesem völlig neuen und ambitionierten, technischen Projekt
gegeben wurde, dauerte es bis zum 04. Juni 1974, bis mit dem Bau der
ersten Komponenten des Prototyps begonnen wurde. Bereits am 12. März
1976 war der Zusammenbau des OV-101 abgeschlossen. Roll-Out und Taufe
auf den Namen "Enterprise" erfolgte am 17. September 1976,
der Transport per Tieflader zum DFRC/Edwards AFB am 31. Januar 1977.
Nach kurzer Vorbereitungszeit schloß sich eine Testserie der NASA
an, die aus vier Phasen bestand:
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1.) Taxi-Tests:
Diese Phase diente zur Überprüfung des Zusammenspiels
aller Flugzeug- und Shuttle-Systeme sowie des Brems- und Lenkverhaltens
der SCA/Shuttle-Kombination bis zur Startgeschwindigkeit. Die "Enterprise"
war dabei unbemannt.
2.) Captive-Inert-Flights:
In dieser Phase wurde im Flug allgemeines Flugverhalten, Stabilität,
Kontrollierbarkeit und Schwingungsverhalten der SCA/Shuttle-Kombination
in verschiedenen Geschwindigkeitsbereichen und Höhen erflogen.
Auch in dieser Phase verhielt sich die "Enterprise" als passive
Nutzlast, da sie unbemannt war.
3.) Captive-Active-Flights:
Bei den drei Flügen dieser Phase war erstmalig eine zweiköpfige
Crew an Bord der "Enterprise". Während der Flüge
wurden sämtliche elektische, elektronische und hydraulische Systeme
des OV-101 aktiviert und getestet. Zudem wurden die Prozeduren und Abläufe
für die nachfolgenden "Abwürfe" vom Shuttle Carrier
Aircraft festgelegt.
4.) Free-Flights:
Die "Enterprise" im Anflug
auf die Edwards AFB Die ersten drei Freiflüge der
"Enterprise" wurden zur Sicherheit noch mit der stromlinienförmigen
Heckverkleidung geflogen. Diese als "Tail Cone" bezeichnete
Heckverkleidung wird nach wie vor für Orbiter-Überführungsflüge
eingesetzt. Sie sorgt für eine bessere Flugeigenschaften der SCA/Orbiterkombination.
Für die letzten beiden Flüge wurde diese Verkleidung entfernt,
um so einen echten Endanflug eines Orbiters bei der Rückkehr aus
der Erdumlaufbahn zur Edwards AFB zu simulieren. Ohne die Heckverkleidung
verdoppelte sich ungefähr die Sinkrate der "Enterprise".
Diese Flüge dienten zur letztendlichen Überprüfung und
Freigabe des Fluggerätes bei Flügen im Unterschallbereich
und Test aller integrierter Systeme sowie der Möglichkeit einer
automatischen oder pilotierten Landung.
Crews
OV-101 "Enterprise": Astronauten Fred Haise und Gordon Fullerton
sowie Joe Engle und Richard Truly
Shuttle Carrier Aircraft: Die Piloten Fitzhugh Fulton, Thomas C. McMurtry
mit den Flug-Ingenieuren Louis Guidry und Victor Horton
Tests mit der "Enterprise" — in Florida und
Kalifornien
Zwei Jahre vor "Columbia":
"Enterprise" auf LC39A Nach Abschluß
dieser Testreihe wurde die "Enterprise" am 10. April 1979
mit dem SCA in das Kennedy Space Center, Florida, überführt.
Dort wurde das OV-101 dazu benutzt, um sämtliche Maßnahmen
und Prozeduren, die bis zum Start eines Space Shuttle erforderlich sein
würden, zu überprüfen und zu üben: Vorbereitung
des Orbiters auf den Flug, Montage mit dem Außentank und den Feststoff-Starthilfsraketen,
Fixierung auf der mobilen Startplattform und Verbindung mit den technischen
Einrichtungen auf den ehemaligen Apollo-Startrampen. Anfang der 1980er
Jahre wurde der Shuttle-Prototyp dazu benutzt, ähnliche Verfikationstests
am Startkomplex "SLC-6" der Vandenberg Air Force Base in Kalifornien
durchzuführen.
Die "Enterprise" heute — ein Museums-Exponat
Am 18. November 1985 wurde die "Enterprise" nach Washington
D.C. überführt und der Smithonain Instutution übergeben.
Jahrelang war sie in der Paul E. Garber Facility (nahe Washington/DC),
der Außenstelle des National Air & Space Museums, der Öffentlichkeit
kaum zugänglich eingelagert. Seit 2003 ist die "Mutter aller
Shuttles" im neu errichteten Steven F. Udvar-Hazy Center am Washingtoner
Dulles International Airport neben vielen anderen Exponaten der Luftfahrtgeschichte
zu bestaunen.
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Shuttle Carrier Aircraft (SCA)
Als 1974 luftatmende Strahlturbinen als Shuttle-Antrieb für inneratmosphärische
Test- und Überführungsflüge gestrichen wurden, sah die
NASA sich einem neuen Problem gegenüber. Sie mußte ein Flugzeug
(er-)finden, das in der Lage war, einen bis zu 100t schweren Orbiter
von der Größe einer Boeing 737 huckepack weltweit transportieren
zu können.
Nach einigen, undurchführbaren Entwürfen blieben zwei konkurrierende
Konzepte übrig: Lockheed schlug die Verwendung ihres C-5A Galaxy-Großraumtransporters
vor, Boeing empfahl die Verwendung einer Boeing 747 Jumbo Jet. Bei Abwägung
beider Konzepte stellte sich heraus, daß die C-5A als Trägerflugzeug
besser geeignet war, aber aufgrund ihrer Größe, umfangreicherer
Umbaumaßnahmen, der geringen Stückzahl und des hohen Preises
entschied man sich für eine Boeing 747.
Am 18. Juli 1974 erwarb die NASA eine Boeing 747-123 von der Fluggesellschaft
American Airlines als "NASA 905". Die Umbaumaßnahmen
begannen am 02. August 1976 und umfaßten u.a. Verstärkungen
der Rumpfstruktur, der Außenhaut und des Höhenruders, Montage
der Shuttle-Verbindungsstreben und vertikaler Stabilisierungsflossen
am Höhenruder sowie aufwendiger Telemetrie-Elektronik. Wie die
"Enterprise" war auch das Cockpit des SCA abwechselnd mit
zwei Zweimanncrews besetzt.
1990 erwarb die NASA eine zweite Boeing 747-100SR, die nach ähnlichen
Umbaumaßnahmen als "NASA 911" das erste SCA unterstützte
und sich seit Mai 1991 im operationellen Einsatz befand.
Quellen:
BILSTEIN, R. E. (2003)
GREENWOOD, J. T. (1989)
HALLION, R. P., GORN, M. H. (2003)
JENKINS, D. R. (1989)
JENKINS, D. R. (2001)
MACNIGHT, N. (1991)
PACE, S. (1994)
PEARCY, A. (1993)
REICHARDT, T. (2004)
STOLIKER, F., HOEY, B., ARMSTRONG, J. (1996)
TAYLOR, M. J. H. (1989)
TORRES, G. (1989)
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