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Spacelab — Erstes europäisches Weltraumlabor

Space-Shuttle-Wappen der NASA

Nach jahrelangen Verzögerungen war es 2008 endlich soweit: Das europäische "Columbus"-Forschungsmodul wurde im Rahmen der Mission STS-122 mit dem Space Shuttle "Atlantis" zur Internationalen Raumstation gebracht und dort am 11. Februar 2008 angekoppelt und ist seitdem wichtiger Bestandteil der ISS. Es setzt die europäische Forschungstradition fort, die vor gut 30 Jahren mit dem Vorgänger Spacelab begann. Dieser Bericht beschreibt ausführlich die Erfolgsgeschichte des Spacelab, die nach Einstellung des Space Shuttle-Programms zu unrecht langsam in Vergessenheit gerät.
Das Weltraumlabor Spacelab war eine Hauptkomponente des Space Transportation System (STS) der NASA und gleichzeitig wichtigste Nutzlast bis zur Anlieferung der ersten ISS-Elemente. Es war der europäische Beitrag zum Raumtransporter-Programm und bot den Mitgliedsstaaten der europäischen Weltraumagentur ESA erstmalig den Einstieg in die bemannte Weltraumfahrt. Nach 16 sehr erfolgreichen Missionen in 15 Jahren wurden die beiden Spaclab-Module 1998 aus dem Flugbetrieb genommen. Damit endete nach einem Vierteljahrhundert ein bis dahin einmalig erfolgreiches Programm in der bemannten Weltraumforschung, das seine direkte Fortsetzung mit neuer Technologie in den Labormodulen der Internationalen Raumstation ISS findet.

Das Weltraumlabor ohne Paletten in der Shuttle-Ladebucht
Das Space Shuttle "Atlantis" mit dem Spacelab an Bord
(Mission STS-71 SL-MIR, 1995)

 

Im ersten Teil dieses Dossiers wird die Geschichte und die Technik des Spacelab ausführlich vorgestellt, im zweiten Teil sind kurze Reports über drei wichtige Spacelab-Missionen (SL-1, D1 und D2) aufgeführt.
Zu einer Bildergalerie des Spacelab-Moduls in der "Bremenhalle" des Bremer Flughafens bitte hier klicken.

 


Die Vorgeschichte des Spacelab — Mit Apollo fing es an
Noch bevor die ersten Astronauten auf dem Mond landeten, machte sich die NASA bereits 1964/65 Gedanken über eine Nachnutzung der Apollo-Hardware. Das Ergebnis dieser Überlegungen war das sogenannte Apollo Application Program (AAP), dessen Hauptbestandteil die erste bemannte amerikanische Raumstation "Skylab" werden sollte. 1969, dem Jahr der ersten Mondlandung, lud die NASA ihr europäisches Pendant, die European Space Research Organisation (ESRO, Vorläufer der ESA) dazu ein, sich am AAP zu beteiligen. Am 6. Januar 1972 ermächtigte der damalige US-Präsident Richard Nixon die NASA, mit der Entwicklung des Shuttle Transportation System (STS) zu beginnen. Weil ein Großteil der Entwicklungskosten des STS vom US-Verteidigungsministerium übernommen wurde, war eine europäische Beteiligung am Bau der Space Shuttle praktisch ausgeschlossen. Um Europa trotzdem in irgendeiner Weise am STS zu beteiligen, wurde der Bau eines Research and Application Module (RAM) genannten Weltraumlabors für die Shuttle-Ladebucht in Aussicht gestellt. Während einer europäischen Weltraumkonferenz im Dezember 1972 einigten sich die zuständigen Minister aus neun europäischen Ländern (Belgien, Dänemark, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Schweiz und Spanien; Österreich stieß später noch dazu), das Beteiligungsangebot anzunehmen. Am 24. September 1973 wurde der endgültige Vertrag zwischen der ESRO und der NASA über die Beteiligung Europas am Apollo-Nachfolgeprogramm unterzeichnet (Zu diesem Zeitpunkt befand sich das "Skylab"-Programm bereits in seiner "Halbzeit" und die NASA konzentrierte sich bereits auf die Entwicklung und den Bau des Space Transportation System sowie der dafür notwendigen Infrastruktur).

Europa wird von der USA mit ins Boot genommen — Und soll Spacelab bauen
Spacelab-Logo-Animation
Animiertes Spacelab-
Logo der ESA
(Erstellt von M. Kletzsch)
Dieser Vertrag übertrug den Europäern die Entwicklung eines Shuttle-gestützten Weltraumlabors mit der Bezeichnung "Spacelab", den Bau einer kompletten Flugeinheit und eines nahezu identischen Ingenieurmodells für Bodentests. Damit erhielt (West-)Europa die Möglichkeit, mit einer Art "wiederverwendbarer Raumstation" in die bemannte Raumfahrt einzusteigen. Definitionsgemäß bestand eine Flugeinheit aus einem langen Modul und fünf Paletten sowie Ersatzteilen und Zusatzausrüstung einschließlich der entsprechenden Software. Technische Vorstudien waren auf europäischer Seite schon seit 1972 angelaufen, sodass die Ausschreibungs-Prozedur für den industriellen Hauptauftragnehmer zügig abgeschlossen werden konnte. An der Ausschreibung beteiligten sich drei Firmen-Konsortien: STAR, COSMOS und MESH (Jeweils unter der Führung von British Aircraft Corporation BAC, Messerschmitt-Bölkow-Blohm MBB und Entwicklungsring Nord ERNO). Den größten finanziellen Anteil mit 53,3% übernahm die Bundesrepublik Deutschland. Damit war sichergestellt, dass der Spacelab-Hauptauftrag an ein deutsches Unternehmen ging. Mit weitem Abstand folgten Italien mit 18%, Frankreich mit 10% und Großbritannien mit 6,3%. Den Rest trugen die fünf anderen ESA-Mitgliedsstaaten Belgien (4,2%), Spanien (2,8%), Niederlande (2,1%), Dänemark (1,5%), Schweiz (1,0%) und Österreich als assoziiertes Mitglied (0,8%). Die ESA-Mitgliedsstaaten Irland und Schweden beteiligten sich nicht an den Kosten der Spacelab-Entwicklung. Insgesamt beliefen sich die Kosten des von diesen zehn Staaten finanzierten Programms auf rund 1,7 Milliarden DM (860 Millionen Euro). Den Zuschlag für den zunächst auf 650 Millionen DM begrenzten Hauptauftrag bekam das Firmenkonsortium MESH unter der Führung der in Bremen ansässigen Firma ERNO Raumfahrttechnik GmbH am 5. Juni 1974, deren Kontrakt am 30. September 1975 in Paris unterzeichnet wurde. Im November 1975 begann die vorläufige Entwurfsüberprüfung (Preliminary Design Review, PDR) und schon im Mai 1976 war das 1:1-Modell (Hard Mockup) fertiggestellt. Die technische Ausstattung und Ausrüstung machte den Bau einer neuen, 1125 m² großen Montagehalle erforderlich. Diese wurde als Integrationshalle 41 auf dem ERNO-Gelände im Herbst 1976 eingeweiht.

Ein Dokument europäischer Ingenieurskunst
Das historische Zertifikat nach der endgültigen
Entwurfsüberprüfung durch ERNO, ESA und NASA
Im November 1976 begann die entscheidende endgültige Entwurfsüberprüfung (Critical Design Review, CDR). Kurz vor Weihnachten 1977 wurden die vier europäischen Astronauten-Kandidaten für die erste Spacelab-Mission bekannt gegeben: Franco Malerba (Italien), Ulf Merbold (Bundesrepublik), Claude Nicollier (Schweiz) und Wubbo Ockels (Niederlande). Bis zum 16. Januar 1978 um 12 Uhr mußten alle Unterlagen der endgültigen Entwurfsüberprüfung CDR bei der ESA abgeliefert sein. Diese technische Dokumentation umfasste 17500 Seiten und diente der Feststellung, ob das Spacelab-Design alle Leistungsanforderungen auch erfüllte. Es war die letzte Möglichkeit für die Ingenieure, am Design noch Änderungen vorzunehmen und Anfang März 1978 wurde der CDR erfolgreich abgeschlossen. Kurz zuvor, noch im Januar 1978, wurde mit der Montage des Ingenieurmodells begonnen, das am 28. November 1980 von Bremen aus über Hannover ins Kennedy Space Center überführt und an die NASA abgeliefert wurde. Das Ingenieurmodell war den Flugeinheiten technisch gleichwertig und diente dazu, notwendige Erfahrungen für den Umgang mit den späteren Flugeinheiten zu sammeln. Im April 1979 erfolgte der Integrationsbeginn der ersten Flugeinheit (FU1). Am 30. Januar 1980 unterzeichnete die NASA den Vertrag über den Kauf eines zweiten Spacelab-Moduls (Follow On Production, FOP). Am gleichen Tag erhielt ERNO den Auftrag über die Integration der 24 ESA-Experimente der ersten Spacelab-Mission. Diese First Spacelab Payload (FSLP) genannte Nutzlast wurde innerhalb von 27 Monaten in die FU1 integriert. Am 30. November 1981 wurde das Weltraumlabor nach eingehender Prüfung von der NASA technisch „abgenommen“. Die offizielle Übergabe der ersten Flugeinheit an die amerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde erfolgte kurz darauf am 04. Dezember 1981 im bremer ERNO-Werk. Im Mai 1982 waren die Arbeiten an der FSLP-Nutzlast abgeschlossen und im August 1982 traf es im Kennedy Space Center in Florida ein. Am 27. Juli 1984 wurde das Modul der zweiten Flugeinheit (FU2) an die NASA übergeben.

Die Technik des Spacelab – Eine modulare "wiederverwendbare Raumstation"
Eine "wiederverwendbare Raumstation" - Die Orbiter-Spacelab Kombination
Schematische Zeichnung des Spacelab (Langmodul)
und der Crew-Kabine eines Space Shuttle
Spacelab ist ein Laboratorium, in dem Wissenschaftler Experimente im Weltraum unter Bedingungen der Mikrogravitation durchführen konnten. Das Spacelab wurde in der Nutzlastbucht des Space Shuttle in den Weltraum transportiert und blieb dort während des Fluges fest verankert. Das Weltraumlabor ist modular aufgebaut, um durch einfaches Auswechseln von Elementen und Bauteilen eine problemlose Anpassung an die Wünsche der jeweiligen Spacelab-Nutzer gewährleisten zu können. Zudem ermöglichte die modulare Bauweise nach dem Baukastenprinzip die Entwicklung und Integration von Experimenten auch außerhalb der NASA.
Die vier wichtigsten Spacelab-Elemente sind das bewohnbare Modul, u-förmige Nutzlastpaletten, ein Ausrichtungssystem für astronomische Instrumente (Instrumental Pointing System, IPS), ein klimatisierter zylindrischer Druckbehälter (Iglu) für Spacelab-Flüge ausschließlich mit Paletten sowie der Zugangstunnel von der Kabine des Orbiters zum Spaclab-Modul.

Das wichtigste Spacelab-Element — Das bewohnbare Modul
Die Konfiguration des ersten Spacelab-Einsatzes 1983
Schnittzeichnung des Spacelab-Moduls,
dahinter eine Spacelab-Palette
Das Modul ist zylindrisch, hat einen Durchmesser von vier Metern und besteht aus bis zu zwei jeweils 2,7 Meter langen Segmenten, die zwischen konischen Endflanschen angeordnet sind. Je nach Anzahl der verwendeten Segmente beträgt die Länge des Moduls 4,3 bis 7,0 Meter. Bei einem kurzen Modul wurde nur ein einziges Segment verwendet, das sogenannte Kernsegment. Es enthält neben der wissenschaftlichen Laboreinrichtung auch wichtige Betriebssysteme wie das Energieverteilungs-, Lebenserhaltungs- und Umweltkontrollsystem. Die Atmosphäre im Modul war der irdischen angeglichen und bestand aus 79% Stickstoff und 21% Sauerstoff. Der Druck betrugt 1013 hPa (1 bar) und die Temperatur war zwischen 18 - 27°C einstellbar. Das Kernsegment konnte insgesamt bis zu 7,6 m³ an wissenschaftlichen Experimenten aufnehmen. Falls für zusätzliche Experimente noch mehr Raum erforderlich war, konnte zum Kernsegment ein weiteres Segment hinzugefügt werden. Dieses Experimentsegment bot 14,6 m³ Raum für zusätzliche Gerätschaften. In dieser Konfiguration bot das Langmodul einen freien Arbeitsraum von 22,2 Kubikmetern. Die für den Betrieb notwendige elektrische Energie bezog das Spacelab ausschließlich aus dem Bordnetz des Space Shuttle. Dieser Strom wird in Brennstoffzellen durch die Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff erzeugt. Der normale Strombedarf des Spacelab belief sich auf 7 kW bei einer Betriebsspannung von 28 V. Kurzzeitig konnten auch bin zu 12 V aus dem Bordnetz des Space Shuttle entnommen werden. Innerhalb des Energieverteilungssystems wandelte ein Konverter den 28 V Gleichstrom aus dem Shuttle-Bordnetz in 115/200 V Wechselstrom mit einer Frequenz von 400 Hertz um.
Die Außenhülle der von Aeritalia in Turin gebauten Module besteht aus einer Aluminium-Konstruktion aus ringförmigen Rahmen, die untereinander durch Längsträger verbunden sind. Beide Segmente sind jeweils an der Oberseite mit einer Öffnung von 1,3 m Durchmesser versehen, in die je ein Sichtfenster für fotografische Aufnahmen und eine Luftschleuse für wissenschaftliche Experimente eingebaut werden konnten. Verschlossen wurden die Zylinder an der Stirn- und Rückseite mit jeweils einem 0,78 m langen konischen Endflansch. Der vordere Endflansch besitzt in der Mitte eine runde Öffnung von 1,6 m Durchmesser, an der der Verbindungstunnel zur Crewkabine des Orbiters angebracht war. Beim baugleichen hinteren Endflansch war diese Zentralöffnung durch ein Druckschott verschlossen. Am unteren Bereich des hinteren Endflansches verband eine Versorgungsbrücke das Modul mit den dahinter angeordneten Paletten.
Zur besseren Wärmeisolierung und zum Schutz vor Mikrometeoriten-Einschlägen ist die Außenhülle des Spacelab mit einer Schutzhülle umgeben, die 19 beidseitig goldbedampfte Folien aus Kapton und 20 Trennlagen aus Dracon enthält und nach außen von einem teflonbeschichteten Gewebe abgeschlossen wird.

Startvorbereitung für die Mission STS-9 1983
Einbau des Langmoduls in die Nutzlast-
Bucht des Space Shuttle "Columbia"
Drei Astronauten bei der Arbeit (STS-9)
Innenaufnahme des Langmoduls, links
der ESA-Nutzlastspezialist Ulf Merbold

Kernstück der wissenschaftlichen Experimentierausrüstung der Module sind die Instrumentenschränke, sogenannte „Racks“. Diese sind so ausgelegt, daß ohne großen Aufwand Standardeinschübe von 48 cm Breite (z.B. gängige Laborgeräte) darin untergebracht werden können. Es gibt Einzel- und Doppelracks mit einer Breite von 56 und 105 cm und einer Tiefe von 76 cm. Diese Racks werden am Boden und an der Decke befestigt und stehen im oberen Teil schräg nach innen über, um sich der zylindrischen Form des Moduls anzupassen. In ihnen können jeweils bis zu 290 oder 580 kg an wissenschaftlichen Geräten untergebracht werden. Sowohl im Kernsegment als auch im Experimentsegment lassen sich auf jeder Seite zwei Doppelracks und ein Einzelrack aufstellen. Die vorderen Doppelracks auf beiden Seiten des Kernsegments enthalten eine Arbeitskonsole und ein Kontrollrack für die Spacelab-Subsysteme. Ein Langmodul aus zwei Segmenten kann maximal 4600 kg an Ausrüstung aufnehmen.

Weitere Elemente des Spacelab — Technische Zusatzausrüstung
Demontage des Tunnels aus der Nutzlastbucht
Der Verbindungstunnel mit Luftschleuse,
links das Spacelab (STS-83 und STS-94)
Der Verbindungstunnel hat 1 m Durchmesser und variierte in der Länge zwischen 2,7 und 5,8 Metern, je nach Position des Moduls in der Nutzlastbucht. Am vorderen Ende (nahe der Crew-Kabine) besitzt der Verbindungstunnel eine Luftschleuse, damit die Astronauten die Möglichkeit hatten, in Raumanzügen größere Defekte zu beheben. Grund für die variable Position des Spacelab war, dass sich der Schwerpunkt des Orbiters nur innerhalb eng gezogener Grenzen bewegen durfte, damit der Wiedereintritt in die Atmosphäre, Gleitflug und Landung sicher erfolgen konnten. Als einziges wurde dieses Spacelab-Element nicht in Europa, sondern von der Firma McDonnell Douglas Astronautics in Huntington Beach in Kalifornien gebaut.
Die Paletten waren eine wichtige Ergänzung der Module und ermöglichten die Unterbringung von wissenschaftlichen Experimenten und Gerät in der Nutzlastbucht des Space Shuttle unmittelbar unter den Bedingungen des Weltraums. Die Anzahl variierte je nach Flugkonfiguration.
Die Paletten sind eine Aluminium-Leichtbaukonstruktion mit hoher Festigkeit und können bei einem Eigengewicht von 590 kg bis zu 3000 kg an Nutzlast tragen. Sie sind im Querschnitt u-förmig, 2,9 m lang, 4 m breit (3,7 m Innenmaß) und bieten 6 m² auf den Innenflächen der Palette zur Befestigung von Gerät aller Art. Jede Palette besitzt separate Stromversorgungs- und Datenanschlüsse. Zusätzlich sind spezielle Kühlplatten, die mit einem Freon-Kühlkreislauf verbunden sind, in die Struktur integriert. Die Verbindung mehrerer Paletten miteinander („Paletten-Zug“) erfolgte an zwölf Befestigungspunkten.
Bei Wegfall des Moduls (und somit auch des Verbindungstunnels) konnten bis zu fünf Paletten einschließlich der Iglu-Versorgungseinheit in der Nutzlastbucht des Orbiters eingebaut werden, zu einer Gesamtlänge von 17 m und maximal 8,0 t Nutzlast.
Auf den Paletten vorn rechts: IPS und Iglu
Diverse Spacelab-Elemente in der Check-
Out and Operations-Facility des KSC
Der Iglu ist ein klimatisierter zylindrischer Druckbehälter für Spacelab-Flüge ausschließlich in der Paletten-Flugkonfiguration. Dieses Element ist 1,1 m breit und 2,4 m hoch und wurde an der vordersten Palette angebracht. Er enthält für die auf den Paletten untergebrachten wissenschaftlichen Experimente und Geräte die Steuergeräte und Datenverarbeitungssysteme, die sich sonst im Kernsegment des Moduls befunden hätten.
Das Ausrichtungssystem für astronomische Instrumente (Instrumental Pointing System, IPS) ist eine bewegliche Plattform, die auf einer Spacelab-Palette montiert ist. Sie diente der Feinausrichtung und Stabilisierung von Instrumenten wie Teleskopen mit einer Genauigkeit von weniger als einer Bogensekunde (1/60tel Grad). Die Ansteuerung konnte durch Bodenkommandos oder auch per Hand von den Astronauten mit Hilfe eines Joysticks in der Crewkabine des Space Shuttle erfolgen.

Datenerfassung und Datenübertragung
Das Spacelab ist mit drei identischen Computern ausgerüstet, einen für die Experimente, einen für die Subsysteme und einen Reservercomputer. Die während des Fluges anfallenden Datenströme konnten sowohl an Bord zwischengespeichert als auch über das Telekommunikationssystem des Space Shuttle in Echtzeit übertragen werden. Für den Transfer zur Bodenkontrollstation wurde anfänglich das weltweite bodengestützte Empfangs- und Kommunikationssystem STDN (Space Tracking and Data Network) der NASA eingesetzt. Mit der ersten Spacelab-Mission 1983 wurde das veraltete STDN durch das nach und nach mehrere Satelliten umfassende Datenübertragungssystem TDRSS (Tracking and Data Relay Satellite System) abgelöst. Für die erste Spacelab-Mission waren zwei TDR-Satelliten in geostationären Umlaufbahnen vorgesehen. Damit wäre es möglich gewesen, 85% der gesamten Spaclab-1-Mission in Echtzeit zu verfolgen und die Experimente waren entsprechend geplant worden. Während der Mission STS-6 im April 1983 versagte jedoch die IUS-Transferstufe des ersten TDR-Satelliten und der Start des zweiten verzögerte sich dadurch. In einer komplizierten Rettungsaktion konnte der in einer elliptischen Umlaufbahn gestrandete Satellit in einen geostationären Orbit gebracht werden. Trotz des unvollständigen TDRS-Systems wurde nach langen Beratungen zwischen NASA und ESA entschieden, die für Herbst 1983 geplante erste Spaclab-Mission durchzuführen (Der zweite TDR-Satellit ging mit der "Challenger"-Katastrophe 1986 verloren und wurde mit dem TDRS-C-Satellit 1988 ersetzt).
Die vom Space Shuttle ausgesendeten Daten wurden über die TDR-Satelliten in der TDRSS-Bodenstation in White Sands, New Mexico, empfangen und von dort über weitere Satellitenverbindungen innerhalb der NASA und ggfs. zur ESA weitergeleitet.
Eine schnelle Datenübertragung vom Spacelab zur Bodenstation und umgekehrt war von großer Bedeutung. Sie versetzte Experimentatoren und Wissenschaftler in die Lage, vom Boden aus ihre Untersuchungen im Weltraum verfolgen zu können und bot die Möglichkeit zum direkten Kontakt zwischen den Nutzlastspezialisten an Bord des Spacelab und den Experimentatoren im Kontrollzentrum. So konnten in Echtzeit Pannen behoben oder Experimente abgeändert und zwischenzeitlichen Ergebnissen angepaßt werden. Diese Methode der zweiseitigen Datenstrom-Anbindung in Echtzeit hat sich über die Jahre als so erfolgreich herausgestellt, dass die gleiche Methode auch in Zukunft während des Betriebs des Columbus-Labormodules der ISS angewendet wird. Das zuständige ESA-Kontrollzentrum ist in Oberpfaffenhofen bei München angesiedelt und trägt die Bezeichnung Columbus Control Centre. Der erste Bewährungsprobe für Menschen und Technik erfolgt während der Langzeitmission des deutschen ESA-Astronauten Thomas Reiter auf der ISS. Als zweiter Flugingenieur der Expedition-13-Crew ist er der erste europäische Crew-Angehörige an Bord der Raumstation während einer etwa halbjährigen Langzeitmission.

Spacelab-Module gehen in Rente — Die Paletten werden noch heute eingesetzt
Nach 16 erfolgreichen Einsätzen wurden die beiden Spacelab-Module nach der Mission STS-90 im Mai 1998 endgültig aus dem Flugbetrieb genommen. Insgesamt gab es 22 Missionen, die unter der Bezeichnung "Spacelab" durchgeführt wurden.
Die erste Flugeinheit (FU1) ist in der Außenstelle des National Air and Space Museum ausgestellt, und zwar im seit 2003 neu errichteten Steven F. Udvar-Hazy Center bei Washington. Weitere Spacelab-Exponate dort sind der Verbindungstunnel, das Instrumenten-Ausrichtungssystem IPS, Spacelab-Paletten und die Paletten-Versorgungseinheit "Iglu".
Die zweite Flugeinheit aus der Follow-On Produktion wurde am 16. April 1999 am Bremer Flughafen der ESA übergeben und ist heute dort in der "Bremenhalle" zu besichtigen. Eingesetzt wurde das FOP-Modul während der deutschen Missionen STS-61A (SL-D1, 1985) und den weiteren Missionen STS-42 (IML-1, 1992), STS-47 (SL-J, 1992), STS-58 (SLS-2, 1993), STS-71 (SL-MIR, 1995) und STS-78 (LMS-1, 1996). Der letzte Einsatz des FOP-Moduls und eines Spacelab-Moduls allgemein erfolgte 1998 während der Mission STS-90 (Neurolab). Nach persönlichen Angaben von Ulrich Bremer, Mitarbeiter beim Raumfahrthistorischen Archiv der EADS SPACE in Bremen, entspricht die aktuelle Ausrüstung nicht seinem letzten Einsatz während der Neurolab-Mission. Es wurden einfach Racks, die man übrig hatte und die griffbereit waren, eingebaut.

Nach Angaben von Dr. Matthias Knopp, dem Leiter der Hauptabteilung Luft- und Raumfahrt des Deutschen Museums in München, handelt es sich bei dem Spacelab auf der Museumsinsel in München um das sogenannte Qualifikationsmodell (SL-QM). Manchmal wird es auch als "engineering model" bezeichnet. Es unterscheidet sich vor allem von den Flugeinheiten äußerlich durch das "scientific airlock", eine große Luftschleuse von ca. 1m Durchmesser für das Aussetzen von Experimenten in den Weltraum direkt vom Spacelab aus. Ferner ist dort eine IGLOO-Einheit und eine Palette mit der 1983 geflogenen MPSS-Trägerstruktur ausgestellt. Das Spacelab-Qualifikationsmodell kam 1987 ins Deutsche Museum.

Mit der Ausmusterung der beiden Druckmodule war die Karriere von Spacelab noch nicht zu Ende. Auch danach wurden einzelne Spacelab-Paletten bei Service-Missionen zum "Hubble Space Telescope" und beim Aufbau der Internationalen Raumstation "ISS" eingesetzt.

Neben der "Enterprise" Highlight im Space Hangar: SL FU1
Die Flugeinheit 1 als Ausstellungsstück
des Udvar-Hazy-Center bei Washington
(Foto: Foust; thespacereview.com)
Das Kern- und Experiment-Segment mit einer Palette
Das Spacelab-Ingenieurmodell des
Deutschen Museums in München
(Foto: Kletzsch)


 


Spacelab-1 — Jungfernflug des Weltraumlabors
Crewemblem STS-9
Crewemblem STS-9
Fast 9 ½ Jahre, nachdem ERNO den Auftrag zum Bau des Spacelab erhielt, startete am 28. November 1983 das Spacelab an Bord des Space Shuttle "Columbia" zu seinem ersten und sehr erfolgreichen zehntägigen Einsatz. Zudem besteht zum ersten Mal eine Raumfahrer-Crew aus sechs Personen, darunter auch Astronauten mit neuem Aufgabengebiet und somit neuer Bezeichnung: Die Nutzlastspezialisten. Im Gegensatz zu den Missionsspezialisten, die alle eine Ausbildung als Space Shuttle-Pilot durchlaufen haben, sind die Nutzlastspezialisten dafür ausgebildet, im All Experimente durchzuführen und zu überwachen. Als erster Nicht-Amerikaner an Bord eines Space Shuttle war der deutsche Ulf Merbold als Nutzlastspezialist der ESA mit dabei.
Während der Mission wird der Forschungsbetrieb im Spacelab rund um die Uhr aufrecht erhalten. Dazu wurde die Crew in zwei sich ablösende Schichten aufgeteilt. Diese Aufteilung in ein "baues" und ein "rotes" Team bewährt sich sehr und wird auch bei späteren Missionen praktiziert. An Bord des Spacelab wurden 72 wissenschaftliche Experimente durchgeführt, ausgewählt und zusammengestellt aus den Fachdisziplinen Erdbeobachtung, Atmosphärenphysik, Biologie, Medizin, Materialforschung, Technologie, Astronomie, Sonnen- und Plasmaphysik. Die Forschungsergebnisse sind so ergiebig und der Verlauf der gesamten Mission so erfolgreich, dass die NASA beschließt, den Flug von ursprünglich geplanten neun Tagen auf zehn Tage zu verlängern.
Während des Abstiegs aus der Erdumlaufbahn gab es Probleme. Es fielen zwei der fünf Hauptcomputer und eine Steuereinheit aus. Nach erfolgreicher Landung auf der Edwards Air Force Base in Kalifornien am 8. Dezember 1985 mussten einige kleine Brandherde in der Hecksektion gelöscht werden, die durch ausgelaufenes Hydrazin entstanden waren.

Die Besatzungsmitglieder der Mission STS-9/STS-41A:
John Young, Kommandant
Brewster Shaw, Pilot
Owen Garriot, Missionsspezialist 1
Robert Parker, Missionsspezialist 2
Byron Lichtenberg, Nutzlastspezialist 1
Ulf Merbold, Nutzlastspezialist 2

Zum Missions-Report STS-9 des Kennedy Space Center

Bild der STS-9-Crew mit Ulf Merbold (r.h.)
Die sechsköpfige Crew der ersten
Spacelab-Mission STS-9 (1983)
Sechs Mann, zwei Schichten, ein Team: Die Crew von STS-9
Die Crew der Mission STS-9 versammelt
zum Gruppenfoto im Spacelab-Modul

 

Spacelab D1 — Die erste deutsche Spacelab-Mission
Crewemblem STS-61A
Crewemblem STS-61A
Die komplett unter deutscher Leitung stehende Spacelab D1-Mission (STS-61A, 22. Flug eines Space Shuttle) wurde vom 30. Oktober bis 06. November 1985 durchgeführt. Es war die erste Space Shuttle-Mission, bei der die gesamte Nutzlast-Kontrolle nicht von der NASA ausgeübt wurde, sondern vom dafür extra errichteten German Space Operations Center (GSOC) in Oberpfaffenhofen bei München. Schon Anfang der achtziger Jahre wurde mit der Vorbereitung der unter deutscher Führung stattgefundenen D1-Mission begonnen. Die 75 Experimente wurden also noch vor der ersten Spacelab-Mission FSLP ausgesucht. 73 von ihnen stammten aus dem Bereich der Schwerelosigkeitsforschung und zwei waren der Navigation gewidmet. Im Mai 1984 begann bei MBB/ERNO (Im Januar 1981 wurde die ERNO Raumfahrttechnik GmbH ein Unternehmensbereich von MBB) die Integration aller Systeme der D1-Mission. An Bord mit der bis dahin größten Crew waren mit Reinhard Furrer und Ernst Messerschmid zwei deutsche Astronauten. Weiteres Crewmitglied (im Einsatz für die ESA) war der Niederländer Wubbo Ockels, der noch während der ersten Spacelab-Mission STS-9 Ersatzmann für Ulf Merbold war. Für die D1-Mission wurden die Rollen der beiden getauscht und Merbold fungierte als Bodenkommunikator für die Spacelab-Crew.
Die Mission STS-61A war der letzte erfolgreiche Einsatz des Space Shuttle "Challenger". Bei ihrem nächsten Start am 28. Januar 1986 explodierte der Flüssigtreibstoff-Außentank und zerriss die "Challenger". Alle sieben Astronauten an Bord kamen dabei ums Leben. Durch diese bis dahin größte Katastrophe in der bemannten Raumfahrt verzögerte sich der Start der Spacelab D2-Mission um über vier Jahre.

Die Besatzungsmitglieder der Mission STS-61A:
Henry Hartsfield, Kommandant
Steven Nagel, Pilot
James Buchli, Missionsspezialist 1
Guion Bluford, Missionsspezialist 2
Bonnie Dunbar, Missionsspezialist 3
Reinhard Furrer, Nutzlastspezialist 1
Ernst Messerschmid, Nutzlastspezialist 2
Wubbo Ockels, Nutzlastspezialist 3

Zum Missions-Report STS-61A des Kennedy Space Center

Bild der STS-61A-Crew mit Ernst Messerschmid (l.v.) und Reinhard Furrer (r.h.)
Die achtköpfige Crew der ersten
deutschen Spacelab-Mission (1985)
Innenansicht des D1-Spacelab-Moduls
Reinhard Furrer und Bonnie Dunbar
bei der Durchführung von Experimenten

 

Spacelab D2 — Die zweite deutsche Spacelab-Mission
Crewemblem STS-55
Crewemblem STS-55
Die D2-Mission sollte im wesentlichen eine Wiederholung der D1-Mission sein, diesmal mit einer Verschiebung des Forschungsschwerpunktes in Richtung (Weltraum-)Medizin. Von September 1990 bis Juni 1992 erfolgte wiederum bei MBB/ERNO die Integration aller Systeme für die D2-Mission. Auch diese Spacelab-Mission (STS-55) stand komplett unter deutscher Leitung und dauerte vom 26. April bis 06. Mai 1993. Mit an Bord des Space Shuttle "Columbia" waren die deutschen Astronauten Hans Schlegel und Ulrich Walter. Es war noch mindestens eine weitere D-Mission des Spacelab geplant, diese wurde aber aus Kostengründen aufgegeben. Zu dieser Zeit hatte Deutschland nach den USA und Russland das drittgrößte nationale Astronautencorps.

Die Besatzungsmitglieder der Mission STS-55:
Steven Nagel, Kommandant
Terence Henricks, Pilot
Jerry Ross, Missionsspezialist 1
Charles Precourt, Missionsspezialist 2
Bernard Harris, Missionsspezialist 3
Ulrich Walter, Nutzlastspezialist 1
Hans Schlegel, Nutzlastspezialist 2

Zum Missions-Report STS-55 des Kennedy Space Center

Bild der STS-55-Crew mit Hans Schlegel (3.v.l.) und Ulrich Walter (r.h.)
Die siebenköpfige Crew der zweiten
deutschen Spacelab-Mission (1993)
Astronaut Ulrich Walter demonstriert die Schwerelosigkeit
Der deutsche Astronaut Ulrich Walter
schwebt frei im Spacelab-Modul

 

Kaum bekannt ist eine weitere historische Mission mit einem Spacelab-Modul: Beim ersten Andocken eines amerikanischen Space Shuttle an die russische Raumstation "Mir" 1995 (STS-71) befand es sich in der Ladebucht der "Atlantis" und transportierte neue Experimente und Versorgungsgüter für die russische Stammbesatzung (s. Bild ganz oben). Im Prinzip wurde das Spacelab in ähnlicher Weise als "Umzugscontainer" eingesetzt, wie damals die drei sogenannten Multi Purpose Logistic Modules (MPLM) "Leonardo", "Raffaello" und "Donatello". Im Unterschied zum fest in der Ladebucht des Space Shuttle verankerten Spacelab wurden die MPLM aus der Ladebucht herausgehoben und zur Ent- und Beladung an die ISS angedockt und zum Missionsende wieder in der Nutzlastbucht zur Rückführung von Gütern verstaut.




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