Ende der 50er Jahre stießen
amerikanische Aerodynamiker bei Entwicklungsarbeiten von wiedereintrittsfähigen,
ballistischen Atomsprengköpfen auf den Effekt, daß stumpf
gerundete Körper nicht nur die Hitze beim Wiedereintritt in die
Erdatmosphäre überstehen, sondern zudem noch Auftrieb liefern.
Diesen Effekt nutzend, konzipierten Aerodynamiker der NASA bemannte
tragflächenlose Flugkörper, deren Auftrieb allein aus der
ungewöhnlichen Rumpfform resultiert.
Ziel dieser Ingenieure war es, ein bemanntes Fluggerät zu konstruieren,
das der Hitze beim Wiedereintritt in die Erdatmosphähre im Hyperschall-Bereich
widerstehen konnte, voll manövrierfähig im Über- und
Unterschall-Bereich war und wie ein konventionelles Flugzeug eine kontrollierte,
horizontale Landung auf einer normalen Landebahn durchführen konnte.
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M2F1 — Erstes seiner Art
Ein erstes, relativ primitives Testgerät, die M2F1, wurde 1963
in "Heimarbeit" aus Stahlrohr mit Holzbeplankung von Mitarbeitern
und Testpiloten des NASA Flight Research Center (FRC), Edwards Air Force
Base/Kalifornien gefertigt. Es basiert auf Entwürfen des Ames Research
Centers der NASA. Viele Testflüge mit diesem einfachen Vorgänger
bestätigten die grundsätzliche Flugfähigkeit und Kontrollierbarkeit
eines Flugkörpers dieser radikal neuen Form.
Durch diesen Erfolg ermutigt, wurden anschließend mehrere Erprobungsprogramme
durch die NASA und die USAF initiiert. Allen nachfolgenden Lifting Bodies
gemeinsam ist die konventionelle Ganzmetall-Bauweise, Einziehfahrwerk
und der Antrieb durch Thiokol XLR-11 Flüssigtreibstoff-Raketentriebwerke,
die aus den X-1 und X-15-Programmen übernommen wurden, sowie der
Abwurf vom Boeing B-52 Trägerflugzeug.
Die "schweren" Lifting-Bodies
Den Anfang machte 1966 die Northrop M2F2, die die Rumpfform
der M2F1 kopierte. Nach einer Bruchlandung 1967 wurde dieses Fluggerät
in die M2F3 modifiziert und erzielte zum Ende des Testprogrammes
1972 eine maximale Flughöhe von 21.790m und eine maximale Geschwindigkeit
von Mach 1,61.
Ebenfalls 1966/67 nahm die NASA die Erprobung der Northrop HL-10
auf, das vom Langley Research Center entworfen wurde. Im Laufe ihres
Testprogrammes erwies sich dieses Design als das Beste in Bezug auf
die Flugeigenschaften und Flugleistungen. Bevor dieses Testprogramm
1970 endete, wurden maximale Flughöhen von 27.524m und Geschwindigkeiten
bis zu Mach 1,86 erreicht.
1969 starteten die NASA und die USAF zusammen die Flugerprobung der
weiterentwickelten Martin Marietta X-24A. In den folgenden
zwei Jahren erreichte die X-24A 21.763m max. Flughöhe und bis zu
Mach 1,6 max. Geschwindigkeit. Nach Abschluß des Flugtestprogrammes
Mitte 1971 erfolgte in nur einem halben Jahr von April bis Oktober 1972
der Umbau in die X-24B.
Die umgebaute Rumpfhülle - die interne Struktur blieb unverändert
- zeigte erstmalig eine spitz zulaufende Delta-Form mit flachem Rumpfboden.
Mit dieser neuen, revolutionären Rumpfform wurden 1973-1975 max.
Flughöhen von 22.580m und Mach 1,75 erreicht.
Damit endeten 12 erfolgreiche Jahre Forschungs- und Erprobungstätigkeit
dieser einzigartigen, voll manövrierbaren Wiedereintritts-Fluggeräte,
die als direkte Vorläufer des Shuttle Transportation System mit
seinen komplett wiederverwendbaren Raumfähren "Columbia",
"Challenger", "Discovery", "Atlantis"
und "Endeavour" anzusehen sind.
Nachfolgende Lifting Body-Konzepte
Basierend auf den Erfahrungen der Lifting Bodies der ersten Generation
und des Space Shuttle erlebte das Konzept der flügellosen Rumpfauftriebs-Flugkörper
in den späten 80er Jahren in Form der X-33 und X-38-Testprogramme
eine Renaissence. Die X-38 ist eine Kopie der X-24A und sollte als "Crew
Return Vehicle" (CRV) im Notfall als Rettungsboot für Astronauten
der "International Space Station" (ISS) zur sicheren Rückkehr
zur Erde eingesetzt werden. Nach wenigen inneratmosphärischen Flugtests
wurde das Projekt jedoch eingestellt.
Die Lockheed X-33 "Venture Star" sollte als revolutionär
neues Konzept als Einstufen-Raumtransporter (SSTO, Single-Stage-To-Orbit)
zukünftig das nur teilweise wiederverwendbare und technologisch
veraltete "Shuttle Transportation System" (STS) ablösen
und ersetzen. Aufgrund technischer und finanzieller Probleme wurden
jedoch die Arbeiten an einem Demonstrationsmodell im Maßstab 1/3
daran eingestellt und das Projekt abgebrochen, obwohl der Prototyp weitgehend
fertiggestellt und die Startanlagen auf der Edwards AFB bereits komplett
errichtet waren.
Quellen:
BILSTEIN, R. E. (2003)
HALLION, R. P., GORN, M. H. (2003)
JENKINS, D. R. (2001)
MILLER, J. (1988)
PACE, S. (1994)
PACE, S. (1995)
PEARCY, A. (1993)
STOLIKER, F., HOEY, B., ARMSTRONG, J. (1996)
THOMPSON, M., PEEBLES, C. (1999)
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